Mittwoch, 16. Dezember 2015

Judith und Christian Vogt - Die zerbrochen Puppe



"Lassen Sie sich mitnehmen in eine Zeit, in der Forscher Helden waren und Wissenschaften Mysterien!" S. 3


Jep, bin dabei. Endlich, denn dieses Buch lag viel zu lange ungelesen herum. Ein solcher Anfang prescht ja schon mal ziemlich weit voraus. Aber dafür wird auch eine ziemlich ungewöhnliche Welt präsentiert. Die Geschichte spielt in einem alternativen 19. Jahrhundert, in dem eine Eiszeit über Europa hereingebrochen ist. Luftpiraten bevölkern geheime Stützpunkte im vereisten Norden, wahnsinnige Wissenschaftler basteln sich wandelnde Leichen zurecht und eine schwimmende Stadt treibt auf der Suche nach Rohstoffen auf der Nord- und Ostsee.

Bei einem wissenschaftlichen Kongress in Venedig soll Æmelie einen Vortrag über eine von ihr entwickelte Energiequelle halten. Doch einige ihrer Kollegen sind nicht von der geduldigen Sorte, und als sie den Prototypen nicht herausgeben möchte werden sie und ihr Mann Naðan nachts im Hotel überfallen. Sie kann ihm noch zur Flucht verhelfen, wird selbst jedoch von den Finsterlingen ermordet und ihre Leiche verschleppt.

Der einzige Hinweis auf die Täter führt nach Æsta, der schwimmenden Stadt. Und da die Behörden in Venedig keine Möglichkeit haben, dort Ermittlungen anzustellen, macht  Naðan sich selbst auf den Weg, um Æmelie zu finden.

Mit Naðan ist den Autoren eine ganz wunderbare Figur gelungen. Er ist - gerade für eine Hauptfigur - so schön ungewöhnlich. Das fängt schon damit an, dass er seit dem Überfall etwas irre ist. Er spricht mit einer Puppe, und diese antwortet ihm. Er ist keiner von diesen Alleskönner-Superhelden, eher etwas zaghaft und ängstlich. Statt groß zu handeln wird er eine ganze Weile eher von den Ereignissen herumgeschubst. Naðan gehört zum niederen Adel und ist Künstler - was ihm in der schwimmenden Stadt Æsta mal so gar nicht weiterhilft. Ohne Plan, ohne Geld, nur mit einem Namen in der Tasche landet er daher zunächst in der Gosse. Und von da an wird es erst richtig schwierig.

Zu der Figur Naðan, aus deren Sicht die Geschichte geschrieben ist, passt auch der etwas gehobene Sprachstil des Romans. Allerdings muss ich zugeben, dass mich die Schreibweise einiger Namen ein klein wenig genervt hat (und jetzt beim Tippen noch ein wenig mehr). Es gibt zwar eine durchaus stimmige Begründung im Vorwort und soll natürlich für eine besondere Atmosphäre sorgen, aber trotzdem ist das nicht so meins. Dagegen hat mir wiederum sehr gut gefallen, dass das Künstler-Thema in den Kapitelüberschriften aufgegriffen wurde. So klingen die einzelnen Überschriften wie die Titel von Gemälden (so habe ich sie mir jedenfalls vorgestellt), unter denen jeweils das entsprechende Medium aufgeführt ist (z.B. "Ein Lebewohl im Nebel" - Bleistiftzeichnung).

Für Steampunk-Fans gilt von mir eine klare Leseempfehlung.

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